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Geschrieben von Lord Syn am 15.03.2007 um 12:58:

Text Hannibal Rising

Ich war gestern mit ninja im Kino und wir haben uns Hannibal Rising angeschaut! Ein sehr geiler Film!

Der Schauspieler hat Hannibal echt gut rübergebracht und das ganz ohne Anthony Hopkins! großes Grinsen Ich habe mir anfangs Sorgen gemacht, daß die Person "Hannibal Lecter" durch den Film an Hintergrund verliert, da er damit ja defacto enträtselt wird, aber das Gegenteil war der Fall. Durch den Film kann man richtig verstehen, warum er geworden ist, wie man ihn heute kennt - der kannibalische, hochintellektuelle Soziopath!

Die Gewaltdarstellungen in dem Film sind sehr deutlich, aber dennoch nicht übertrieben! An manchen Stellen mußte ich sogar lachen, weil Hannibal, wenn er manche Menschen tötete einige passende Sprüche dabei brachte! Auch die Kameraperspektive ist immer sehr passend, z.B. wenn der russische Panzer von einer Stuka angegriffen wird, oder Lecters Familie aus Burg Lecter fliehen, während man im Hintergrund die Luftwaffe die Hügel bombardieren sieht! Später, wo der Krieg längst vorbei ist, wird die Kamera dementsprechend auch wieder ruhiger und zeichnet sichvor allem durch ruhige Szenen aus. Man wird also vor allem von der Geschichte gefesselt, als von hektischen Szenen überreizt!

Also ich kann diesen Film allen empfehlen, die die Figur "Hannibal Lecter" mögen oder auch so gerne blutige aber dennoch intelligente Filme sehen!

Bin absolut begeistert von dem Film!



Geschrieben von Tancred am 15.03.2007 um 19:56:

 

Zitat:
Der Schauspieler hat Hannibal echt gut rübergebracht und das ganz ohne Anthony Hopkins! :großes Grinsen: Ich habe mir anfangs Sorgen gemacht, daß die Person "Hannibal Lecter" durch den Film an Hintergrund verliert, da er damit ja defacto enträtselt wird, aber das Gegenteil war der Fall. Durch den Film kann man richtig verstehen, warum er geworden ist, wie man ihn heute kennt - der kannibalische, hochintellektuelle Soziopath!


Gaspard Ulliel hat den jungen Hannibal sehr gut verkörpert. Was die Enträtselung des Hannibal angeht, so muss ich schon sagen, dass ich auf manches Detail seines Lebens hätte verzichten können. So zum Beispiel, dass er den Samurai bzw. hinterasiatischen Kultur so viel abgewinnen konnte und in seine Vorgehensweise eingebaut hat. Das kam irgendwie kitschig rüber. Betrachtet man es allerdings unter dem Aspekt, dass er sozusagen die fernöstliche und europäische Kultur (durch seine Erfahrungen im Krieg, sein Studium, etc.) in sich vereint, ist es schon wieder ein interessanter Aspekt (Intention des Autors?).
Ansonsten sehe auch ich nicht, dass der Mythos des Hannibal an Anziehungskaft verloren hätte.

Zitat:
Die Gewaltdarstellungen in dem Film sind sehr deutlich, aber dennoch nicht übertrieben! An manchen Stellen mußte ich sogar lachen, weil Hannibal, wenn er manche Menschen tötete einige passende Sprüche dabei brachte!


Wenn Du das so sagst hört es sich an, als ob Du in einem Western gewesen wärest smile
Ich finde, dass durch den - vergleichsweise - hohen Anteil der Gewalt etwas von Hannibals Unreife und Ungestümheit ausgedrückt wird. Was wiederum in diesen Film passt, nicht aber in das Bild, welches durch die "älteren" Filme von ihm gezeichnet wurde.

Zitat:
Auch die Kameraperspektive ist immer sehr passend, z.B. wenn der russische Panzer von einer Stuka angegriffen wird, oder Lecters Familie aus Burg Lecter fliehen, während man im Hintergrund die Luftwaffe die Hügel bombardieren sieht! Später, wo der Krieg längst vorbei ist, wird die Kamera dementsprechend auch wieder ruhiger und zeichnet sichvor allem durch ruhige Szenen aus. Man wird also vor allem von der Geschichte gefesselt, als von hektischen Szenen überreizt!


Rein technisch betrachtet fand ich den Film auch gelungen.



Geschrieben von Lord Syn am 15.03.2007 um 20:28:

 

Zitat:
Original von Tancred
Gaspard Ulliel hat den jungen Hannibal sehr gut verkörpert. Was die Enträtselung des Hannibal angeht, so muss ich schon sagen, dass ich auf manches Detail seines Lebens hätte verzichten können. So zum Beispiel, dass er den Samurai bzw. hinterasiatischen Kultur so viel abgewinnen konnte und in seine Vorgehensweise eingebaut hat. Das kam irgendwie kitschig rüber. Betrachtet man es allerdings unter dem Aspekt, dass er sozusagen die fernöstliche und europäische Kultur (durch seine Erfahrungen im Krieg, sein Studium, etc.) in sich vereint, ist es schon wieder ein interessanter Aspekt (Intention des Autors?).
Ansonsten sehe auch ich nicht, dass der Mythos des Hannibal an Anziehungskaft verloren hätte.


Ich fand dieses Interesse an japanischer Kampfkunst gar nicht so verkehrt. Immerhin war seine Tante Japanerin und er war die erste Person seit langem, mit der er wieder positiven emotionelen Kontakt hatte. Außerdem unterstreicht es gleichermaßen die Vorliebe für gleichermaßen ästhetischen Geschmack und einem martialischen Wunsch, unhöfliches und widerwärtiges auszulöschen. Und die Szene am See war einfach nur köstlich! smile

Zitat:

Wenn Du das so sagst hört es sich an, als ob Du in einem Western gewesen wärest smile
Ich finde, dass durch den - vergleichsweise - hohen Anteil der Gewalt etwas von Hannibals Unreife und Ungestümheit ausgedrückt wird. Was wiederum in diesen Film passt, nicht aber in das Bild, welches durch die "älteren" Filme von ihm gezeichnet wurde.


Ich weiß nicht, wie du jetzt auf "Western" kommst? Hey, die Sprüche waren doch echt genial! Wo ihm das Blut ins Gesicht spritzt und er dann nur trocken meint. "Purpur, in der Tat!". der Film hatte trotz seines harten und grausamen Themas immer wieder diese unfreiwillige Komik, und das ist für mich kein Manko, sondern richtig gut! Das hat richtig gezeigt, daß Hannibal nicht wie wir reagiert, sondern er ein Soziopath ist, der in einer ganz anderen Realität lebt! Das war einfach nur super!
Aber du hast recht. Er ist später nicht mehr so leicht in Rage zu versetzen! Ich glaube, daß war auch das einzige Mal, wo Hannibal wirklich in Rage versetzt worden ist! Vorher war er immer kalt und berechnend und später war er es ja auch wieder!


Ich mochte Hannibal damals schon in "Das Schweigen der Lämmer". Bei "Hannibal" war er mir noch sympathischer, weil er da auch viel mehr Raum eingenommen hat, ihn außerhalb der Psychatrie agieren gesehen hat. Bei "Roter Drache" war sein Wirken ja dann nur am Rande. Daher fand ich es bei "Hannibal Rising" ja auch so genial, daß er da die Hauptrolle inne hatte, ohne irgendeinem anderen Charakter! Hier gab es nur Hannibal und seinen brutalen und erbarmungslosen Plan, Rache zu üben!

Ich wage es sogar, die Behauptung aufzustellen, daß Hannibal Lecter eine der polarisierensten fiktiven Figuren ist, die es je gegeben hat. Er hat auf der einen Seite Charme, Witz, Intellekt und Kultiviertheit, auf der anderen Seite ist er ein Monster, daß kann man gar nicht mehr anders sagen. Das, was er im Stande ist zu tun, übersteigt meiner Meinung nach auch das, was ein Mensch bei unglaublichen Zorn tun kann. Und das ist einfach nur kraß! Und nach diesem Film weiß man auch, warum es so ist! Hannibal ist ein Mensch, den mang gleichermaßen verstehenund sympathisch finden kann, aber gleichzeitig trozdem abstoßend und ablehnen kann. Ich kann mich da einfach nur wiederholen. Einfach ein toller Film!



Geschrieben von Georges am 15.03.2007 um 21:43:

traurig

Ich habe den Film auch gesehen, und muss sagen mir hat alles bis auf das Ende sehr gut gefallen , wie man schon vorher erwähnte. Ich fand es sehr schade das es einfach so abgehackt war...hätte gerne noch mehr erfahren



Geschrieben von Tancred am 15.03.2007 um 23:49:

 

Zitat:
Original von Lord Syn
Zitat:
Original von Tancred
[...](Intention des Autors?)[...]


Ich fand dieses Interesse an japanischer Kampfkunst gar nicht so verkehrt. Immerhin war seine Tante Japanerin und er war die erste Person seit langem, mit der er wieder positiven emotionelen Kontakt hatte. Außerdem unterstreicht es gleichermaßen die Vorliebe für gleichermaßen ästhetischen Geschmack und einem martialischen Wunsch, unhöfliches und
widerwärtiges auszulöschen.


Das meinte ich mit "Intention des Autors?". Hätte da wohl etwas ausführlicher sein sollen smile Aber es zeigt auch Hannibals Bildung, sie profitiert von der Vielzahl der Kulturen in denen er zuhause ist.

Zitat:
[...] daß Hannibal nicht wie wir reagiert, sondern er ein Soziopath ist, der in einer ganz anderen Realität lebt! Das war einfach nur super!
Aber du hast recht. Er ist später nicht mehr so leicht in Rage zu versetzen! Ich glaube, daß war auch das einzige Mal, wo Hannibal wirklich in Rage versetzt worden ist! Vorher war er immer kalt und berechnend und später war er es ja auch wieder!

Ich mochte Hannibal damals schon in "Das Schweigen der Lämmer". Bei "Hannibal" war er mir noch sympathischer, weil er da auch viel mehr Raum eingenommen hat, ihn außerhalb der Psychatrie agieren gesehen hat. Bei "Roter Drache" war sein Wirken ja dann nur am Rande. Daher fand ich es bei "Hannibal Rising" ja auch so genial, daß er da die Hauptrolle inne hatte, ohne irgendeinem anderen Charakter! Hier gab es nur Hannibal und seinen brutalen und erbarmungslosen Plan, Rache zu üben!


Da gebe ich Dir vollkommen recht!
In meinen Augen kann man ihn sogar als Vorbild betrachten. Wie er im Film dargestellt wird, ist ja sogar halbwegs neutral. Jeder kann sich ein Bild von ihm machen, wenn er ein bisschen nachdenkt. Seine Genialität und Überlegenheit den anderen gegenüber ist einfach atemberaubend. Wer wäre nicht gerne so?

EDIT: Hat jemand schon mal die Bücher gelesen?



Geschrieben von quigor am 17.03.2007 um 17:26:

 

Zitat:
Original von Tancred
Hat jemand schon mal die Bücher gelesen?

Ja, ich. Und ich fand sie enttäuschend: Thomas Harris schreibt literarische Dutzendware, und sein - äußerst bescheidener - Stil kontrastierte scharf gegenüber meinen Erwartungen, die ich nach dem ersten Film hatte.
Sein schriftstellerischer Einheitsbrei vermittelte mir nichts von dem geschmäcklerischen Zauber des Film-Hannibals.

Obwohl ich mich bis heute immer gefragt habe, worauf der Reiz und durchschlagende Erfolg dieser Figur beruht: Der Kerl ist doch wahrlich das letzte, was man sich als Nachbarn wünscht.
Aber offenbar stellt sich die Frage nicht in dieser Form:

Zitat:
In meinen Augen kann man ihn sogar als Vorbild betrachten. Wie er im Film dargestellt wird, ist ja sogar halbwegs neutral. Jeder kann sich ein Bild von ihm machen, wenn er ein bisschen nachdenkt. Seine Genialität und Überlegenheit den anderen gegenüber ist einfach atemberaubend. Wer wäre nicht gerne so?

Eine Identifikationsfigur also... naja, mir als altem Vegetarier hat sich diese Ebene eher nicht eröffnet: Bei der Vorstellung, das Hirn von jemandem zu verschmausen, dreht sich mir der Magen um - Kerzen hin, Kammermusik her.

Aber offenbar wären sehr viele Menschen gerne Kannibalen und ... Mörder, hm?
*roflmao*

Zitat:
Original von Lord Syn
Ich wage es sogar, die Behauptung aufzustellen, daß Hannibal Lecter eine der polarisierendsten fiktiven Figuren ist, die es je gegeben hat. Er hat auf der einen Seite Charme, Witz, Intellekt und Kultiviertheit, auf der anderen Seite ist er ein Monster, das kann man gar nicht mehr anders sagen. Das, was er im Stande ist zu tun, übersteigt meiner Meinung nach auch das, was ein Mensch bei unglaublichen Zorn tun kann. ...
Hannibal ist ein Mensch, den man gleichermaßen verstehenund sympathisch finden kann, aber gleichzeitig trotzdem abstoßend finden und ablehnen kann.

Ecce homo, Syn ... so sind wir.
Aber Dr. Lecter hat meiner Meinung nach einen fragwürdigen kulinarischen Geschmack - mein Held ist er nicht.



Geschrieben von Tancred am 17.03.2007 um 19:11:

 

Zitat:
Original von quigor
Zitat:
Original von Tancred
Hat jemand schon mal die Bücher gelesen?

Ja, ich. Und ich fand sie enttäuschend: Thomas Harris schreibt literarische Dutzendware, und sein - äußerst bescheidener - Stil kontrastierte scharf gegenüber meinen Erwartungen, die ich nach dem ersten Film hatte.
Sein schriftstellerischer Einheitsbrei vermittelte mir nichts von dem geschmäcklerischen Zauber des Film-Hannibals.


Schade. Meist ist das Buch besser als der Film, doch hier scheint sich diese ungeschriebene Regel nicht zu bestätigen. Es hört sich sogar an, als habe der Film dem Charakter und der Geschichte zu mehr Glanz verholfen.



Geschrieben von quigor am 17.03.2007 um 19:33:

 

Absolut richtig, Tancred: Die Bücher selbst hätten Hannibal nie zu seinem Ruhm gebracht. Dazu sind sie zu schlecht geschrieben.



Geschrieben von Lord Syn am 18.03.2007 um 14:07:

 

Ja, es ist einfach klar, das Anthony Hopkins die Figur des Hannibal auch sehr personifiziert hat! Einfach, weil Hopkins ein ziemlich guter Schauspieler ist, der auch so schon etwas von einem "Wahnsinnigen" hat. großes Grinsen

Das hat dann natürlich auch viel ausgemacht.



Geschrieben von Neverwinter am 05.04.2007 um 20:01:

 

was heisst schlecht geschrieben...es ist direkt geschrieben.
Mir persönlich gefällt sein stil und er kann sich sehr exakt ausdrücken, finde ich.
Auch die Gedichte bzw Auszüge aus anderen Werken passen. Außerdem merkt man, dass Thomas Harris sich für seine Bücher sehr genau informiert hat und dass er recht weltklug ist.

Ok die Filme sind sehr gut geworden, die Buchvorlagen finde ich aber trotzdem noch etwas besser.



Geschrieben von quigor am 06.04.2007 um 18:50:

 

Zitat:
Original von Neverwinter
was heisst schlecht geschrieben...es ist direkt geschrieben.
Mir persönlich gefällt sein stil und er kann sich sehr exakt ausdrücken, finde ich.

Mhm, ein wahrer Freund der Literatur hat also den Weg in dieses Forum gefunden. rolleyes

Kleine Kostprobe gefällig aus dem 'Roten Drachen'? Hier:
"Die erste, zaghafte Verbindung zum Täter war hergestellt; sie juckte und brannte wie ein Blutegel, der sich an ihm festgesaugt hatte. Grahams Fingernägel gruben sich in das Laken, während er sich das Gehirn zermarterte.

Grahams Kopf fühlte sich vollgestopft und blöde an. Er schwamm im Swimming-pool des Hotels auf und ab, bis seine Beine sich zunehmend bleierner anfühlten, und als er schließlich aus dem Wasser stieg, dachte er an zwei Dinge gleichzeitig - an einen Martini und den Geschmack von Mollys Mund.

Sektionschef Brian Zeller brachte die Kurierlieferung und die Rollstuhlräder in die Abteilung für instrumentale Analyse; dabei legte er ein Tempo vor, das seine Gabardinehose zum Pfeifen brachte.
Die Belegschaft - die Frühschicht war eigentlich längst um - kannte dieses pfeifende Geräusch nur zu gut: Zeller hatte es eilig.

Graham lächelte, als er spürte, wie ihn die gewaltige Schubkraft des Jets himmelwärts und fort von St. Louis katapultierte, wie die Maschine dann quer über die Bahn der Sonne nach Süden schwenkte und endlich in Richtung Osten auf Heimatkurs ging.
Molly und Willy würden ihn bereits erwarten.
"Vergeuden wir jetzt doch nicht die Zeit mit langen Diskussionen, wem was leid zu tun hat", hatte sie am Telefon kurz und bündig erklärt. "Ich hole dich in Marathon ab, ja?"
Zu gegebener Zeit hoffte er, sich an die wenigen guten Momente erinnern zu können - an die Befriedigung, Menschen bei der Arbeit zu beobachten, die mit ganzem Herzen bei der Sache waren."


Dir gefällt also sein Stil? Ich finde ihn ja eher schaurig denn schön, aber gut, suum cuique.... *g*

Zitat:
Auch die Gedichte bzw Auszüge aus anderen Werken passen. Außerdem merkt man, dass Thomas Harris sich für seine Bücher sehr genau informiert hat und dass er recht weltklug ist.
Ok die Filme sind sehr gut geworden, die Buchvorlagen finde ich aber trotzdem noch etwas besser.

Du sprichst nicht vielleicht vom 'Namen der Rose'? Nein, kann nicht sein, denn das ist ja nicht von Harris, sondern von Eco.
Sonst allerdings würde es verdammt gut auf Deine Beschreibung passen: 'sehr genau informiert', 'weltklug', 'sehr guter Film' und 'noch bessere Buchvorlage'.

Lies Eco, Neverwinter! Mindestens so spannend - und stilistisch wohl doch etwas befriedigender:

"Der Wind war wieder stürmisch geworden und blies die Funken weit durch die Nacht. Gleich nach der Kirche fingen die Stallungen Feuer. Die angstgepeinigten Tiere rissen sich los, durchbrachen die Tore und rannten kreuz und quer über den Hof, laut wiehernd, muhend, blökend, grunzend in schauerlichem Konzert. Etliche Funken verfingen sich in den Mähnen der Pferde, und bald sah man höllische Wesen über das Hochplateau rasen, Flammenrösser, die alles niederrannten, was ihnen vor die Hufe kam in ihrem ziel- und rastlosen Lauf. Ich sah den uralten Alinardus, der, verloren umherirrend, ohne recht zu begreifen, was vorging, überrannt wurde von dem prächtigen Rappen Brunellus in einer Aureole aus Feuer, überrannt, in den Staub getreten und liegengelassen als dunkle, formlose Masse. Doch ich hatte weder Zeit noch Möglichkeit, ihm zu helfen oder sein Ende zu beklagen, denn Szenen ganz ähnlicher Art ereigneten sich allenthalben.
Die brennenden Pferde trugen das Feuer noch dahin, wohin es der Wind nicht getragen hatte, und so brannten bald auch die Werkstatt und das Novizenhaus. Scharen verzweifelter Menschen liefen von einem Ende zum anderen durch die Abtei, ziellos oder mit illusorischen Zielen. Ich sah Nicolas von Morimond, der, eine blutende Wunde am Kopf, die Kleidung in Fetzen, auf dem Torweg knieend laut den Fluch Gottes verfluchte. Ich sah Pacificus von Tivoli, der, jeden Gedanken an eine mögliche Hilfeleistung fahrenlassend, sich ein vorübereilendes Maultier zu greifen versuchte; als er es hatte, schrie er mir zu, ich solle ein gleiches tun und fliehen, nur weg hier, weg von diesem Spottbild des Armageddon."


Ich glaube, ich werde das wieder einmal lesen müssen - es ist einfach jedesmal ein einziger Genuß.



Geschrieben von Neverwinter am 06.04.2007 um 20:10:

 

Okay die von dir zitierte Stelle ist stilistisch gelungen und baut viel spannung auf, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass die Sätze parataktisch aneinandergereiht sind.
Thomas Harris verwendet eher kurze Sätze und benutzt manchmal Umgangs- oder Fekalsprache, was aber bewirkt dass man sich mit den Charakteren identifizieren kann bzw sie einordnen kann, so z.B. den gestressten und stoizistischen Abteilungschef der Verhaltensforschung Crawford (in "Das Schweigen der Lämmer").
Mit weltklug und "sich gut informieren" meinte ich, dass Harris interessante Hintergrundaspekte, die auch eng mit dem Storyverlauf zusammenhängen, einbringt. Seien es biologische bzw. psychische Fakten oder seine Genauigkeit bezüglich der amerikanischen Sicherheitsbehörden oder verschiedensten Einrichtungen.

Hier mal ein Beispiel:
"'Fangen Sie an', sagte Starling.
Sie musste eine ganze Minute warten, bis er sagte: 'Eine Raupe wird zu einer Puppe in einer Chrysalide. Dann kommt sie aus ihrem geheimen Umkleideraum als die schöne Imago heraus. Wissen Sie, was eine Imago ist, Clarice?'
'Ein vollentwickeltes, geflügeltes Insekt.'
'Und was noch?'
Sie schüttelte den Kopf.
'Es ist ein Terminus aus der toten Religion der Psychoanalyse. Eine Imago ist ein Bild von einem Elternteil, das seit der Kindheit im Unbewußten verschüttet und mit infantilem Affekt behaftet ist. Das Wort kommt von den wächsernen Ahnenbüsten, die im alten Rom bei Trauerzügen mitgetragen wurden...Selbst der phlegmatische Crawford muss eine gewisse tiefere Bedeutung in der Insektenpuppe sehen.'
'Nichts, womit sich viel anfangen ließe, außer dass die Abonnentenverzeichnisse entomologischer Fachzeitschriften mit den im Descriptor-Index aufgeführten Sexualtätern verglichen werden.'
"
...

Gut, deine Textstelle war vielleicht anschaulicher als die Kostprobe aus dem 'Roten Drachen', gegen diese Stelle im Schweigen der Lämmer ist sie aber relativ oberflächlich.
Wahrscheinlich kann man noch dutzende solche Textvergleiche machen, es ist wohl wirklich wie du gesagt hast : suum cuique.
Aber wenn du Eco so empfehlen kannst und das Buch "Namen der Rose" noch besser ist als der Film, werd ich mir demnächst wohl mal n paar Bücher von ihm "reinziehn" (ups, schauriger Stil sry *fg*)



Geschrieben von quigor am 06.04.2007 um 20:50:

 

Zitat:
Original von Neverwinter
Aber wenn du Eco so empfehlen kannst und das Buch "Namen der Rose" noch besser ist als der Film, werd ich mir demnächst wohl mal n paar Bücher von ihm "reinziehn" (ups, schauriger Stil sry *fg*)

Schauriger Stil - aber äußerst löbliches Vorhaben!

So nehme ich denn - zumindest vorerst - Abstand davon, Dich mit ein paar weniger 'oberflächlichen' Leseproben aus dem 'Namen der Rose' zu erfreuen... aber glaube mir, gegen Eco beißt Harris ganz furchtbar ab.
Übrigens ohne 'sorry' meinerseits für den Stil. *g*



Geschrieben von Neverwinter am 06.04.2007 um 20:57:

 

Ok...was für Bücher außer der Name der Rose sind noch gut von Eco? - thx schonmal im vorraus



Geschrieben von Angsthase am 06.04.2007 um 21:00:

 

Meiner Meinung nach:

Baudolino



Geschrieben von quigor am 06.04.2007 um 21:08:

 

Richtig. Und unbedingt auch 'Das Foucaultsche Pendel' und 'Die Insel des vorigen Tages'.
Du wirst viel Vergnügen damit haben.



Geschrieben von Neverwinter am 06.04.2007 um 21:11:

 

*ausgezeichnet* (mr. burns)
großes Grinsen



Geschrieben von Angsthase am 06.04.2007 um 21:14:

 

*Doh!*


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