 Menschliche Uhren |
Sehtos 
Human Nature
Dabei seit: 22.08.2002
Beiträge: 3.167
Herkunft: Ruhrgebiet
Level: 55 [?]
Erfahrungspunkte: 25.057.360
Nächster Level: 26.073.450
 |
|
Menschliche Uhren – Teil 1
Wenn der Mensch auf die Geschichte zurück blickt, tut er dies meist weniger mit Stolz als viel mehr mit Schrecken. Er erschrickt vor den Taten der Menschheit, welch Grausamkeit sie doch einst als völlig normal erachtete. Sieht der Mensch jedoch in seine Zukunft, so tut er dies mit noch gewaltigerem Schrecken, denn er sieht nur Zerstörung, Krieg und den zerfall der Sitten.
Jedoch tut der Mensch dies schon recht lange, so haben sich die Prophezeiungen im Jahre 1905 nicht erfüllt, in denen es hieß die Menschheit würde sich in den nächsten 30 Jahren gegenseitig vollkommen auslöschen, eben so wenig erfüllten sich die Prophezeiungen des kalten Krieges, in denen der Menschheit keine 10 Jahre mehr gegeben wurden. Heute, 100 Jahre nach 1905 wissen wir, denn wir sind noch hier, die Prophezeiungen waren falsch. Genau wie damals, werden sich auch die Schwarzseher unserer Zeit aller Voraussicht nach irren.
Es scheint in der Natur der Menschheit zu liegen in der Zukunft und der Vergangenheit nach Schrecken zu suchen, während sie die Schrecken der Gegenwart zu vergessen versucht. Wenn die Zukunft doch so finster ist, wieso dann versuchen im Jetzt etwas zu verändern um das Gleich zu beeinflussen? Denn selbst wenn es gelingt bleibt der falsche Mensch der auf den Thron gelangen könnte um die Menschheit zu verderben und selbst wenn es gelingt dies zu verhindern, was tun gegen das Göttliche? Gegen den alten Mann mit dem weißen Bart der uns aus der Unendlichkeit heraus beobachtet, nur darauf wartend seine Schalen des Hasses über die Welt zu ergießen und so die Menschheit in einem Regen aus Feuer von ihr zu vertilgen, ist keine Macht gefeit.
All dies lähmt uns, jedoch lähmt es uns nicht weil es ist was die Welt im innersten bewegt. Viel mehr will man uns, all uns Menschen, seit langer Zeit einreden die Zukunft sei genau so wenig zu ändern wie die Gesamtheit der Dinge, die wir unser Leben nennen. Der Sinn des Menschen, so diese Kräfte, sei es einzig für sie produktiv zu sein und wie ein Uhrwerk zu ticken.
Die zerbrochene Uhr.
Michael Regenburg war ein junger Mann, keine zwanzig Sommer alt, und zum Leid seiner Eltern noch nicht verehelicht. Michael hatte das Glück in einer aufgeschlossenen Zeit zu leben, die Medizin hatte gute Fortschritte gemacht und gegen die meisten Krankheiten existierte eine wirkungsvolle Medizin. Seine Welt war nicht mehr in wahnsinnigen religiösen Vorstellungen gefangen und so war es ihm erlaubt sogar an einem Freitag Fleisch zu essen, nicht wie vor Jahren in denen man für eine solche Tat noch bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. Wahrlich, dies war eine goldenen Zeit. Doch Michael war nicht wie seine Eltern oder die übrigen Menschen in seinem Dorf, nicht das er an der heiligen Wissenschaft gezweifelt hätte oder die Gesetze brach, er war einfach ein sehr nachdenklicher, belesener und aufgeschlossener junger Mann. Was die Menschen wohl störte war seine selbst erwählte Abgeschiedenheit, so nahm er weder an den Treffen der Gemeinde noch an den Interessengemeinschaften teil, denn er teilte wenig Interessen mit den übrigen.
„Wer empfindet es in einer so aufgeschlossenen, neuen, Zeit wohl interessant sich bei Kerzenschein in ein Buch zu vertiefen?“, entgegnete Michael mit einem leichten Lächeln jedem der ihn Fragte weshalb er seine liebsten Beschäftigungen nicht mit anderen teilen würde.
Die Zeit verstrich, wie es mit jungen Jahren nun einmal so ist, wie im Fluge. Auf den Frühling folgte Sommer, Herbst, Winter, nur damit der Frühling von neuem beginnen konnte. Vertieft in seine Bücher und Forschungen hatte Michael in den dunklen Jahreszeiten die Grundlagen für eine Idee erarbeitet, die er nicht länger für sich behalten konnte. Er war der festen Überzeugung, diese Idee und seine ersten beweise für ihre Richtigkeit mit der Menschheit teilen zu müssen und so suchte er all seine Unterlagen zusammen und ging geschwind zum Hauptgebäude des Dorfes, wo er sich am Vortag schon einen Termin bei den weisesten Köpfen der Umgebung hatte geben lassen. Begeistert legte er ihnen seine mathematischen Ergebnisse vor. Natürlich waren all diese sehr lückenhaft, gerade erdacht und mit einigen kleinen Fehlern übersät, all dies störte die Männer des Rates jedoch nicht.
So erhob sich einer der Männer in schwarzer Robe langsam, denn was sie störte war: „Der Grundgedanke... ich vermag es kaum in Worte zu fassen!“, Michael meinte Begeisterung zu hören, „Ist mehr als blasphemisch! Die Erde, um die Sonne? So seid ihr denn von allem verlassen?“ Michael ließ vor Schreck einen Haufen voller Blätter auf den alten Boden fallen, konnte dies sein? All diese Ignoranz in einer solch Fortschrittlichen Zeit, im Jahre 1467 sollten noch immer solche Ansichten dominieren? Dies konnte und wollte Michael nicht wahr haben! So wollte er gerade seine Stimme erheben als einer der älteren Männer durch den Saal zu brüllen begann. „Schweig still Luzifer! Noch im Morgen grauen wirst du Asche sein!“
In dieser, seiner letzten, Nacht war Michael Regenburg nur noch schwer in der Lage vor Schmerz zu schreien, zu tief waren die Wunden, zu fest saßen die Schrauben und zu eindringlich war das Vater Unser des Priesters. Unendlich, schien die Nacht, doch schneller als sie ihm lieb war endete sie und unter dem Geschrei des Pöbels schliff man seinen Leib zum gestapelten Holz. Er spürte die faulen Äpfel die seine Schwester und Mutter nach ihm warfen nur leicht auf der, durch die Folter weit schrecklicheres gewohnte, Haut treffen. Nun band man ihn an den Pfahl, stülpte ihm eine weiße Gurgel über den Kopf und die Menge verstummte. „Hiermit verurteilt die heilige römisch katholische Kirche dich, den Ketzer Michael Regenburg, zum Tode auf dem Scheiterhaufen. Du hast dich der Ketzerei am Evangelium selbst sowie der Unzucht mit Dämonen schuldig gemacht. Noch bevor die ersten Sonnenstrahlen dich berühren, wirst du die Asche sein. Entzündet das Holz!“
Früher war es das Evangelium und der Ketzer, heute ist es die Demokratie und der Terrorist. Manchmal sind Schritte kürzer, als wir wahr haben wollen.
__________________
Sic Luceat Lux
Mein Blog
Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Sehtos: 19.12.2005 00:50.
|
|
19.12.2005 00:49 |
|
|
SonicX3
Wings of Chaos
Dabei seit: 01.06.2002
Beiträge: 1.662
Level: 51 [?]
Erfahrungspunkte: 13.285.062
Nächster Level: 13.849.320
|
|
das ganze is mehr als meine 250-wörter-lese begrenzung, und habs dennoch gelesen O_o
also ich finde das doch sehr gut, und von mir aus nichtmal was hinzuzufügen im moment *g*
__________________
Klar bin ich verrückt, aber das heißt nicht,
dass ich falsch liege. Ich bin irre, aber nicht krank.
- [Werewolf Bridge, Robert Anton Wison]
|
|
|
19.12.2005 05:27 |
|
|
Lord Syn
Superdaemon
Dabei seit: 01.06.2002
Beiträge: 11.142
Herkunft: Bielefeld / NRW Funktion: Administrator / Flamer Verliebt in: Saphiriel <3
Level: 64 [?]
Erfahrungspunkte: 89.064.031
Nächster Level: 100.000.000
|
|
Ich bin nicht sicher, ob die röm. katholische Kirche jemanden verurteilt hat, oder ob es eher weltliche Gerichte waren, die im Sinne der Kirche verurteilten, aber davon abgesehen ist die Geschichte sehr ansprechend. Vor allem mit dem Vorwort. Aber so ist das mit den Leuten, die immer nur an das Negative denken können. 
__________________
"Ich bring meine eigene Privatsphäre mit!" - Mea Culpa
"Ich bin wie Scheiße am Schuh. Erst wenn ich abgekratzt bin, hast du deine Ruhe." - Ragnar
- Ich liebe dich
- Ach halt's Maul!
Das ist Satan 
Satan sagt: Halt's Maul du Spast!
+++ Rege Satanas! +++
+++ Ave Satanas! +++
+++ Heil Satan! +++
Make .:WAR:. not Love
Make .:WAR:. not Love auf Facebook
Make .:WAR:. not Love auf tumblr
Lord Syn
the hellboard - join the community now!
|
|
|
19.12.2005 07:38 |
|
|
Sehtos
Human Nature
Dabei seit: 22.08.2002
Beiträge: 3.167
Herkunft: Ruhrgebiet
Level: 55 [?]
Erfahrungspunkte: 25.057.360
Nächster Level: 26.073.450
|
|
Danke für die frühen Antworten. *g*
Also die röm. katholische Kirche hat tatsächlich die Gerichtbarkeit in Glaubensfragen besessen, zu dieser Zeit war fast alles eine Glaubensfrage. Sie besaß diese Gerichtbarkeit aus dem einfachen Grund, daß die Menschen den festen Glaubhen hatten wenn jemand gegen die Gesetze der Kirche oder Gottes verstoßen würde, würden sie von schrecklichen Säuchen, Fluten oder anderen Naturkatastrophen heimgesucht. *g*
__________________
Sic Luceat Lux
Mein Blog
|
|
|
19.12.2005 10:27 |
|
|
Lord Syn
Superdaemon
Dabei seit: 01.06.2002
Beiträge: 11.142
Herkunft: Bielefeld / NRW Funktion: Administrator / Flamer Verliebt in: Saphiriel <3
Level: 64 [?]
Erfahrungspunkte: 89.064.031
Nächster Level: 100.000.000
|
|
|
|
19.12.2005 11:04 |
|
|
Lord Syn
Superdaemon
Dabei seit: 01.06.2002
Beiträge: 11.142
Herkunft: Bielefeld / NRW Funktion: Administrator / Flamer Verliebt in: Saphiriel <3
Level: 64 [?]
Erfahrungspunkte: 89.064.031
Nächster Level: 100.000.000
|
|
|
|
19.12.2005 11:11 |
|
|
Sehtos
Human Nature
Dabei seit: 22.08.2002
Beiträge: 3.167
Herkunft: Ruhrgebiet
Level: 55 [?]
Erfahrungspunkte: 25.057.360
Nächster Level: 26.073.450
|
|
Dazu mehr wenn ich Teil - 2 fertig habe. 
__________________
Sic Luceat Lux
Mein Blog
|
|
|
19.12.2005 11:14 |
|
|
Lord Syn
Superdaemon
Dabei seit: 01.06.2002
Beiträge: 11.142
Herkunft: Bielefeld / NRW Funktion: Administrator / Flamer Verliebt in: Saphiriel <3
Level: 64 [?]
Erfahrungspunkte: 89.064.031
Nächster Level: 100.000.000
|
|
|
|
19.12.2005 11:32 |
|
|
|
Menschliche Uhren
