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Zum Ende der Seite springen Hotel Tunnelblick
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The Poop Rapist The Poop Rapist ist weiblich
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Hotel Tunnelblick Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Fred, Trixie und ich residierten zu Füßen einer stillgelegten Bahnunterführung. Scherzhaft nannten wir dieses unser schäbiges Zuhause immer „Hotel Tunnelblick“. Wir waren alle drei das, was um der Dramatik Willen oft gescheiterte Existenz genannt wurde, lebten auf verlausten Matratzen von Dosenbier und hatten einander gern. Doch irgendwann schließlich kam etwas dazwischen.
Es war abends, Fred und ich schliefen bereits fast, und Trixie hatte sich in offenkundiger Weltuntergangsstimmung hingekauert und starrte aufs Fußende ihrer Matratze. Und plötzlich – wahrscheinlich hatte sie sich vorher Gedanken darüber gemacht – begann sie von etwas zu sprechen.
Trixie sagte, sie wünsche nicht, dass ihr Baby in eine solch schlechte Welt geboren würde, und dass es direkt als Engelchen in den Himmel aufzusteigen habe. Fred und ich, noch nicht wieder ganz wach, verstanden nicht, woher mit einem Mal ihre Vorstellung gekommen war von einem Kind, das sie kriegen sollte. Vielleicht hielt sie ihren Bierbauch für die Verheißung einer kleinen nachwachsenden Trixie. Jedenfalls steigerte sie sich immer weiter in diese Idee hinein, bis sie schließlich nur mehr heiser „Engelchen, mein Engelchen“ krächzte und irgendwann zusammenklappte und schlief.
Doch ging es am darauffolgenden Tag so mit ihr weiter. Trixie hörte gar nicht mehr auf davon, wie gerecht es nur wäre, wenn „ihr Kleines ohne Umwege zum Herrgott“ ginge, wo sie selbst doch schon irdisches Leid hatte ertragen müssen, dass es für Zwei reiche uisf.
Fred und mir ging es nicht sehr gut in dieser Zeit, denn zum einen tat uns unsere Freundin leid, die ja ganz offensichtlich ihren Verstand verlor; zum andern kamen wir aufgrund ihres ständigen Geschreis kaum noch zu Schlaf. Immerzu nur wurden wir von der plärrenden Trixie geweckt.
Eines abends schließlich musste es Fred, der der Gereiztere von uns Beiden war, zuviel gewesen sein, denn er sagte etwas sehr Gemeines zu Trixie. Und zwar schlug er ihr vor sie zu schwängern und das Kind dann, bevor es sich irgendeiner Sünde auch nur schuldig machen konnte, zu ertränken; so dass es ja ohne weitere Umschweife und Widerreden von Seiten des Herrn in dessen Himmel gehen musste.
Ich durchschaute damals wie heute nicht, ob Fred dies nur als geschmacklosen Witz angedacht oder ob er Trixie bewusst hatte aufs äußerte reizen wollen, so wie auch er aufs äußerste gereizt war. Zumindest löste es Ungeheuerliches in ihr aus, sie stürzte sich auf ihn und bearbeitete ihn mit ihren Fäusten, die sie kaum mehr richtig zu ballen imstande war, und Fred und mir fiel es schwer sie von ihm wegzuzerren.
Schließlich gelang es uns, und während er sich gehässig grinsend so weit wie möglich von Trixie wegkauerte, versuchte ich sie zu beruhigen. Und dazu dachte ich mir die Geschichte mit dem Schwan aus.
Nämlich schwärmte ich ihr vor, was für wunderbare Wesen Schwäne seien, von ihren langen weißen, anmutig geschwungenen Hälsen, von ihrem prächtigen Federkleid, dem ja die Engelsflügel nur nachempfunden sein konnten, von ihrem edlen Gebaren. Wie dem auch sei, die Pointe meiner kleinen dummen Geschichte war, dass ein Mensch es ja nur mit einem Schwan zu treiben brauche, auf dass daraus ein Engelchen entstünde.
Das war natürlich der hanebüchenste Mist, den ich ihr da vortrug. Doch irgendetwas hatte ich mir einfallen lassen müssen, um sie zu beruhigen. Und tatsächlich verstummte Trixie sofort, nachdem ich fertig erzählt hatte. In ihre Augen trat ein Leuchten, das sie zwar weniger unglücklich als vorher wirken ließn, aber auch weniger bei Verstand. –
Die nächsten Tage waren wiederum eine Qual für Fred und mich, denn Trixie war nun zusätzlich zu ihrer Zurückgezogenheit von uns in ein tiefes Schweigen verfallen, in dessen Rahmen sie wohl darüber sann, mit einem Schwan ihr Engelchen zu zeugen. Sie sprach kein Wort und Fred und ich kaum mehr miteinander, weil wir immer trauriger wurden. Wir wussten schon nicht mehr, wann es im Hotel Tunnelblick die letzten glücklichen Tage gegeben hatte.
Irgendwann schließlich trat Fred mit einem Plan auf mich zu, in der Angelegenheit Trixies. Er wollte sich mit Hilfe weggeworfener Zeitungen, die ich ihm von der Straße auflesen helfen sollte, als Schwan verkleiden und ihr ein Kind machen. Zur Not, überstürzte er sich beinahe hinzuzufügen, könne auch ich die Rolle des kostümierten Freiers übernehmen, nur damit ich ihn, Fred, nicht falsch verstünde. Ich ging nicht weiter auf dieses Angebot ein, sondern äußerte lediglich meine Bedenken, ob sich denn aus zerruppten und weggeschmissenen Zeitungen ein Schwan basteln ließ; ob weißes Zeichenpapier denn hierfür nicht geeigneter gewesen wär. Fred stimmte mir zu, und wir beschlossen, genug Geld für einen Zeichenblock zu sparen.
Selbstverständlich war auch dieser ganze Plan der Gipfel der Geschmacklosigkeit, doch waren Fred und ich beide Hanswurst genug, das nicht zu begreifen. Zu unserer Verteidigung wage ich lediglich vorzubringen, dass wir nichtsdestotrotz aus aufrichtiger Sorge um Trixie zu handeln gedachten und ihr wirklich helfen wollten.
An dem Tag dann, als wir das Geld zusammen hatten, gingen Fred und ich in einen Schreibwarenladen, um einen Block weißen Zeichenpapiers zu erstehen. Heraus kamen wir jedoch, betrunken, wie wir zu diesem Zeitpunkt waren, mit einem Bogen bunten Bastelpapiers. Scheiße, dachten Fred und ich. Wir hatten unser und Trixies letztes Geld für etwas ausgegeben, das wir gar nicht gewollt hatten, und für Bier.
Fred hatte dann zwar noch die gute Idee, aus dem Bastelbogen lustige bunte Hütchen zu falten und für unsere verwirrte Freundin eine Party zu schmeißen, was wir dann auch taten. Jedoch saß sie lediglich apathisch herum wie eh und je, und die orange-blaue Kopfbedeckung verlieh ihr etwas äußerst Groteskes, so dass Fred es dann nicht mehr aushielt und sie ihr runterriss. Nun mussten wir uns einen neuen Plan zu Trixies Rettung einfallen lassen, einen, der nichts kostete. Und der letzte Strohhalm, der uns blieb, war ein echter Schwan. –
Trixie hatte sich an dem Abend auch ohne Hut bewusstlos zu trinken gewusst, und so schnappten Fred und ich sie uns und trugen ihren federleichten Körper in den nächsten Park, von dem wir wussten, dass es dort einen Teich samt Schwänen gab. Ich überließ Trixie Fred – er konnte sie ohne weiteres auch allein halten – und machte mich daran, eines der Tiere, möglichst männlich, einzufangen.
Dazu schlich ich mich um den Teich herum zu einer Stelle, an der einige maskulin wirkende Schwäne unweit des Ufers sich befanden. Es war der fortgeschrittenen Stunde entsprechend dunkel, und ich hoffte auf etwaige Nachtblindheit meiner Opfer, die mir zum Vorteil gereichen sollte. Schließlich hechtete ich mich einem von ihnen ins Federkleid. Der Länge nach fiel ich in den Teich, doch alles, was ich daraufhin in den Händen hielt, waren weiße Schwanenfedern. Die Schwäne indes schwammen in aufgebrachten Bahnen übers Wasser, welches, wie ich nun feststellte, lediglich kniehoch war, und so watete ich denn in Richtung des Schwarms. Erneut warf ich mich den Vögeln entgegen, bekam einen zu fassen, doch rang er wild um sein Entkommen.
Fred, der bis dahin alles mit diebischer Freude, wie ich mir vorstellen kann, verfolgt hatte, sah nun die Chance auf einen tatsächlichen Fang gekommen und entschloss sich, mir zu Hilfe zu eilen. Mit den Worten, „Warte, Daniel, ich komme“ legte er zunächst, trotz allem behutsam, Trixie ins niedrige Ufergras und stürzte sich daraufhin zu mir in den Teich. Auch er packte den Schwan, der sich nur noch heftiger freizukämpfen versuchte.
So mussten wir etwa eine Viertelstunde gerungen haben, als uns das Tier schließlich doch entkam; alle anderen Schwäne hatten ohnehin schon längst das Weite gesucht. Enttäuscht wateten Fred und ich gen Ufer und mussten feststellen, dass Trixie nicht mehr da lag, wo Fred sie ins Gras gebettet hatte. Wir brauchten aber gar nicht groß nach ihr zu suchen, ob sie vielleicht plötzlich wieder zu Bewusstsein gekommen und ausgebüchst war; sie lag direkt zu unseren Füßen im Wasser, Gesicht nach unten im Schlamm. Trixie war einfach reingerollt, ohne dass Fred und ich es bemerkt hatten, und ertrunken.
Das war damals ganz sicher einer der traurigsten Tage in der Geschichte des Hotel Tunnelblick gewesen. Später ist uns dann auch noch die Polizei auf die Schliche gekommen, in der Sache des mißhandelten Schwans. Uns blieb nichts anderes übrig als sofort die Stadt zu verlassen. Seitdem leben Fred und ich in ständiger Furcht vor dem Gesetz. Aber diesmal wenigstens unter einer waschechten Brücke.

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Dieser Beitrag wurde 1 mal editiert, zum letzten Mal von The Poop Rapist: 15.10.2005 22:45.

15.10.2005 20:37 The Poop Rapist ist offline Beiträge von The Poop Rapist suchen Nehmen Sie The Poop Rapist in Ihre Freundesliste auf
Pirroh Pirroh ist männlich
Otto Normalposter


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Sehr spannend geschrieben. Allerdings ist die Story doch ein wenig unglaubwürdig. Augenzwinkern Aber der Schreibstil ist wirklich fesselnd smile
15.10.2005 20:47 Pirroh ist offline E-Mail an Pirroh senden Beiträge von Pirroh suchen Nehmen Sie Pirroh in Ihre Freundesliste auf
SchwarzeRose
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RE: Hotel Tunnelblick Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Gefällt mir sehr, sehr gut!
Respekt.

Von wann ist die Geschichte? ("Erstellungsdatum"?)
20.10.2005 17:43
The Poop Rapist The Poop Rapist ist weiblich
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die hab ich irgendwann letzte woche geschrieben

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20.10.2005 18:29 The Poop Rapist ist offline Beiträge von The Poop Rapist suchen Nehmen Sie The Poop Rapist in Ihre Freundesliste auf
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