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Zum Ende der Seite springen Die Apotheoke
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Ich hatte seinerzeit eine Marktlücke entdeckt. Kapital zu schlagen aus der Selbstverliebtheit der Durchschnittsmenschen war nicht neu; die Art und Weise, in der ich dies zu tun gedachte, schon. Ich eröffnete ein kleines Lädchen – für eine Frau damals noch ungewöhnlich – und nannte es die Apotheoke. Das Wortspiel war schlecht, die Geschäftsidee genial. Der Name setzte sich zusammen aus den Wörtern Apotheke – denn als solche tarnte ich das Unterfangen – und Apotheose: die Dienstleistung, die angeboten werden sollte, unter der Ladentheke.
Apotheose meint die Erhebung eines Menschen zu einem Gott oder Halbgott. Ich hatte einflussreiche Freunde im Verlagswesen und konnte über sie Inhalte von Schulbüchern und mitunter Lexika manipulieren. Es verhielt sich so, dass irgendein Paul Schultz zu mir in den Laden kam mit dem Anliegen, sein Ego gefüttert zu bekommen. Ich sorgte daraufhin dafür, dass sein Name in jener Literatur, die ich über meine Kontakte beeinflussen konnte, im Zusammenhang mit der griechischen Mythologie auftauchte. Man soll nicht glauben, welche Genugtuung einem Menschen das Wissen um die Tatsache verschafft, dass ihn irgendwo jemand als Gott auswendig lernt. Dies beutete ich aus.
Manche meiner Kunden ersannen für sich Pseudonyme, die schon vom Klang her an die Helden des antiken Griechenlands gemahnten. Das war zwar unauffälliger. Aber ich schleuste auch Kurt Müllers in die Bücher. Den Lehrern war es egal, und die Schüler stellten keine Fragen. Niemandem fiel je etwas auf.
Die Kunde von meiner Apotheoke verbreitete sich schnell und diskret. Meine neuartige Dienstleistung fand reißenden Absatz. Schon bald begann ich sie individueller zu gestalten und stockte das Angebot auf. So konnte man seinen Namen ganz schlicht in einer Aufzählung olympischer Götter erscheinen, oder aber in Lehrbuchtexte wiederholt einbinden, oder aber in einem Kästchen mitsamt einer eigenen (erfundenen) Kurzbiographie unterbringen lassen. Ferner schmuggelte ich Namen in Stammbäume; um je weniger Ecken mit Zeus verwandt, desto mehr kostete es. Nach einigen Jahren schließlich wagte ich mich sogar an Doppelseiten. Selbstverständlich musste das Geld dafür mehr als stimmen.
Ich setzte den narzisstischen Fantasien meiner Kunden kaum Grenzen. Das Geschäft boomte. Es zeichnete sich ab, dass in den Lehrbüchern irgendwann kein Platz mehr für neue Kunden sein würde. An die großen Namen wagte ich mich nach wie vor nicht heran. Zeus musste Zeus bleiben, Poseidon Poseidon und Hephaistos Hephaistos. Also führte ich Fristen ein. Man bekam für sein Geld nur mehr auf Zeit eine Rolle in der griechischen Mythologie. Nach Ablauf meist eines Schuljahres konnte man verlängern oder der Name entfiel mit der nächsten Auflage.
Einmal hing ich mich zu weit aus dem Fenster und stellte einen Praktikanten ein. Der Erfolg war mir zu Kopf gestiegen. Ich wusste nicht, ob aus Schusseligkeit oder mit böser Absicht – jedenfalls schmuggelte dieses Früchtchen einen unserer Kunden anstatt zwischen die drittgradigen Verwandten Dionysos’ in die Reihen irgendwelcher KZ-Ärzte. Die Polizei wurde darauf aufmerksam, zwei Geschichtsbücher und eine fachspezifische Enzyklopädie genügten ihr als unabhängige Quellen, und dem armen Mann wurde der Prozess gemacht. Zu meinem Glück hielt er dicht. Seitdem habe ich nie wieder jemanden eingestellt.
Doch ich expandierte. Mir ging es ums Geld. Schließlich schreckte ich nicht einmal mehr vor den prominentesten aller Gottheiten zurück, selbst die direkteste Verwandtschaft des Allvaters Zeus musste den selbstverliebten Werner Manns und Undine Meiers dieser Welt weichen. Irgendwann hatte ich die gesamte griechische Mythologie aus den Lehrbüchern getilgt. Ich war schuld am Falschwissen aller nachfolgenden Generationen. Ein Preis, den ich bereit war zu zahlen. Nachdem ich meinen Service auf fremdsprachige Literatur des gesamten europäischen Raums ausgeweitet hatte, nahm ich im Monat Summen ein, die kaum zu begreifen waren. Nach einem Vierteljahrhundert Apotheoke hatte ich für immer ausgesorgt.
Heute lebe ich in einem Südseehotel, welches allein mir gehört. Das Personal besteht ausschließlich aus braungebrannten Jungspunden, mit denen ich jeweils alle par Monate eine Affäre anfange. Derart genieße ich die wohlverdienten Früchte eines frühen Ruhestands, den ich mir aufgrund meiner einstigen genialen Geschäftsidee habe leisten können.
Ich bin schwer krank, irgendwann haben die Ärzte etwas sehr Ernstes diagnostiziert. Doch Gesundheit kann ich mir leisten. Die entsprechenden Medikamente sind teurer als es seinerzeit mein Angebot der Eingradigen Verwandtschaft zum Göttervater für den Zeitraum dreier Schuljahre gewesen ist. Ich bewahre sie in einem Safe auf, dessen Codewort der Name von Zeus’ Frau ist. Wem gebührt es mehr, mit der Gattin des Göttervaters identifiziert zu werden, als mir, die ich zeit meines Lebens selbst Götter erschaffen habe, wie es mir beliebte.
Ich entspanne in meiner Sänfte und muss plötzlich husten. Zuerst denke ich, der Poolboy hätte mir zu heftig Luft zugefächelt. Doch dann wird mir klar, dass sich einmal mehr die Krankheit meldet. Ich lasse mich zum Tresor tragen und befehle wegzugucken, während ich die Kombination eingebe.
Doch sie fällt mir nicht ein. Wie hieß denn Zeus’ Frau überhaupt? Ich habe es auf meine alten Tage vergessen. Ein heftiger Husten schüttelt mich. Ich frage die zwei mit freiem Oberkörper, die meine Sänfte zu tragen pflegen, wie der Name der Gattin des Göttervaters Zeus lautet. Sie antworten mir bereitwillig. Doch ich weiß, dass Zeus’ Frau nicht Klaus Schwenke ist. Ich erinnere mich sogar noch an das Gesicht von dem Herrn.
Panik beginnt sich meiner zu bemächtigen, ich stürze durch die Hotelflure und außer Atem stelle ich allen Angestellten dieselbe Frage. Doch allesamt sind sie zu jung, keiner von ihnen hat mehr mit unverfälschten Lehrbüchern gearbeitet. Niemand im Hotel weiß die Antwort. Der Safe bleibt verschlossen und behält die Medikamente für sich. Ich huste Blut und breche zusammen. Auf dem leeren Flur meines Südseehotels sterbe ich an einer Krankheit, deren Namen ich mir genauso wenig hatte merken können wie den von Zeus’ Frau.

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06.01.2006 14:40 The Poop Rapist ist offline Beiträge von The Poop Rapist suchen Nehmen Sie The Poop Rapist in Ihre Freundesliste auf
quigor
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Das ist wirklich eine hinreißende Geschichte, ich gratuliere Dir, herbstelfe!

Obwohl ich den Verdacht habe, daß Du im Grunde Deiner Seele ein verbissener Moralist bist.. großes Grinsen

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06.01.2006 22:30 quigor ist offline Homepage von quigor Beiträge von quigor suchen Nehmen Sie quigor in Ihre Freundesliste auf
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ja eh, das merkt man ja auch an den messages, die ich transportiere!!!
freut mich, dass dir die geschichte gefällt.

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06.01.2006 22:37 The Poop Rapist ist offline Beiträge von The Poop Rapist suchen Nehmen Sie The Poop Rapist in Ihre Freundesliste auf
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