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Zum Ende der Seite springen Ein Frosch - Kurzgeschichte 2 Bewertungen - Durchschnitt: 5,50
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Murkser Murkser ist männlich
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Ein Frosch - Kurzgeschichte Auf diesen Beitrag antworten Zitatantwort auf diesen Beitrag erstellen Diesen Beitrag editieren/löschen Diesen Beitrag einem Moderator melden       Zum Anfang der Seite springen

Hallo,

ich möcht euch auch mal ne Geschichte antun. Sie ist in der Karfreitagnacht bzw. heute Nachmittag entstanden:

Ein Frosch

Ein Frosch sitzt hier neben mir. Er guckt etwas niedergeschlagen. Die Augen hängen herunter, die Beine zur Seite. Er starrt auf den Boden und das seit Stunden. Man könnte meinen, er wäre tot. Das könnte man auch von mir denken, würde sich nicht meine rechte Hand vom Stift geführt über die Heftseiten bewegen. Aber der Rest von mir ist wie der Frosch ziemlich erschlafft, nur am Leben gehalten durch den Tropf des Stiftes, der Gedanken in Tinte aus mir herausfließen lässt.
Der Frosch dagegen hat keinen Tropf. Er braucht auch keinen, denn er ist wirklich tot, ohne aber jemals gelebt zu haben, was vermutlich an seinem Inneren liegt. Ich habe noch nicht nachgesehen, aber ich denke er ist aus Plüsch. Das ist auch gut so, denn einen lebenden Frosch dürfte ich gar nicht besitzen. Das sagt zumindest mein Mietvertrag. Aber warum? Vielleicht wegen dem lauten Quaken, dass dann den Mieter über mir stört. Aber seine Kinder quaken auch. Aber darüber steht nichts im Mietvertrag, glaube ich jedenfalls. Vielleicht sollte ich bei Gelegenheit doch mal nachsehen, wie ich bei Gelegenheit auch mal einkaufen gehen sollte.
Zum Glück hat mein Frosch nur selten Hunger und hungrig sieht er auch jetzt nicht aus. Dabei hat er ein riesiges Maul, welches man mit einem Reißverschluss verschließen kann. Eine interessante Eigenschaft, die auch die Kinder über mir zumindest am Sonntagmorgen besitzen sollten. Das Sie mich nicht falsch verstehen, ich mag Kinder oder besser gesagt ich habe nichts gegen sie, also meistens. Ich war ja schließlich auch mal eins. Aber noch brauche ich keine eigenen, vielleicht später in einer größeren Wohnung mit vielen kleinen Ecken, wo sich immer der ganze Dreck sammelt. Da sind sie praktisch mit ihren kleinen Händen.
Mein Frosch wird wohl kinderlos bleiben. Er sieht einem echten Frosch zwar ziemlich ähnlich, aber auch IKEA kennt Grenzen bei der vom noch wohnen- zur schon leben - Transformation. Damit kennen sie nun auch die Geburtsstätte des kleinen Grünlings, oder zumindest seinen früheren Aufenthalt. Da saß er mit ungefähr zwanzig anderen Fröschen in eine dunkle Kiste gequetscht bis sich meine Freundin seiner erbarmte und ihn mir zu Weihnachten als neuen Mitbewohner präsentierte. Als Willkommensgeschenk hatte sie ihm eine CD ins Maul gepackt, die mich wohl für eventuelle heftigere Einwände gnädig stimmen sollte. Aber mir war der kleine Kerl sympathisch. Ich bot ihm die Freundschaft an und er gab keine Widerworte. Unsere Freundschaft besteht immer noch, die zu meiner Freundin leider nicht mehr. Die Liebe ist erkaltet. Vielleicht lag es am überlangen Winter. Selbst Schuld, warum muss ich als Greenpeacer auch gegen die Klimaerwärmung kämpfen und jetzt konnte ich, um meiner Rachegefühle her zu werden, der geprellten Liebe wegen, noch nicht mal den Frosch anzünden, da sich bestimmt giftige Gase entwickeln würden. Außerdem kann man das auch seiner Mutter, wahrscheinlich ein kleines pakistanisches Mädchen, dass ihn in mühsamer selbstloser Handarbeit genäht hat, ohne jemals damit spielen zu können, nicht antun. Vielleicht bekommt es ja mal einen der vielen tausend, die sie in ihrem Leben genäht hat, von einer Hilfsorganisation geschenkt. Diese arme Kleine. Ich glaube, ich habe doch mehr für Kinder übrig. Vielleicht sollte ich als Dankeschön für die vielen Frösche, eine Patenschaft für so ein kleines Würmchen übernehmen. Dann kann es zur Schule gehen und später mal richtig arbeiten und meine Rente finanzieren. Aber wahrscheinlich werden ihre Eltern das ganze Geld für Opium oder Kleber ausgeben.
Also bleib ich lieber bei meinem Frosch. Er trägt übrigens eine Krone, die wohl an den Froschkönig erinnern soll. Aber er ist keiner. Ich hab es ausprobiert. Es hätte ja irgendwas bei rauskommen können. wenn schon keine Frau, dann wenigstens ein Auto oder eine Kaffeemaschine oder ein kleines pakistanisches Kind, dass ich hätte zur Schule schicken können oder gleich zur Arbeit. Aber da gibt es ja diese Gesetze. Es gibt lauter Gesetze und sie werden immer mehr. Mein Frosch muss sich an keine Gesetze halten. Aber er macht ja auch nichts, sitzt nur da und starrt auf den Boden und das immerzu. Ein Rebell unter den Fröschen ist er nicht gerade. Eher ein Beamter, ein Stilleben, zeitlos. Aber ich unterliege der Zeit, meine läuft ab. Seit ich anfing die Geschichte zu schreiben ist schon eine halbe Stunde vergangen und es wird eine weitere halbe Stunde vergehen, bis ich sie auf den Rechner abgetippt habe und in dieser Stunde war noch alles ruhig. Afghanistan und der Irak liegen zwar schon in Trümmern, aber der Iran ist noch heil. Ich weiß nicht, ob das noch so ist, wenn jemand diese Geschichte liest. Ich hoffe es aber und werde morgen zum Ostermarsch gehen. Mein Frosch kann zu Hause bleiben, denn ihm ist es egal was passiert. Er ist aus Plüsch, er wohnt, er starrt, er ist leblos. Aber ich lebe und du?

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Ivan Ivanov - Die Unsichtbaren - das Ende

Nesh Nivel: "wir sind unsichtbar für dich solange du nicht an uns glaubst"
16.04.2006 17:29 Murkser ist offline E-Mail an Murkser senden Homepage von Murkser Beiträge von Murkser suchen Nehmen Sie Murkser in Ihre Freundesliste auf
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Bis du anfingst, an mein Gutmenschentum und Engagement zu appellieren, gefiel mir der Text ganz gut Zunge raus
Vor allem die Passage mit den nervigen Kindern und dem Mädchen, was einen der 1000 Frösche von einer Hilfsorganisation geschenkt kriegt...

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16.04.2006 18:08 Ben ist offline Beiträge von Ben suchen Nehmen Sie Ben in Ihre Freundesliste auf
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